Samstag, 24. Januar 2009
 
Das Vorletzte: Toleranz von Dollfuß lernen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Viktor Englisch   
Donnerstag, 12. Juni 2008

Der austrofaschistische Bundeskanzler wird von der ÖVP Niederösterreich fast wie ein Heiliger verehrt.


Über den schlampigen Umgang der ÖVP mit dem Faschismus.



Es hat mich, wie man so schön sagt, gerissen, als ich die Presseaussendung des niederösterreichischen Bauernbunds gelesen habe. ”Dollfuß-Museum in Texing feiert zehnjähriges Bestehen” kündigten die politischen Nachfolger des faschistischen Bundeskanzlers in der Überschrift hörbar stolz an. Im ersten Absatz heißt es wörtlich: ”In der niederösterreichischen Gemeinde Texingtal wurde am Sonntag das zehnjährige Bestehen des “Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß-Museums” gefeiert. Im Museum ist in fünf Räumen der Lebenslauf von Dollfuß als Student, Soldat und seine Rolle als Ständestaatkanzler von 1932 bis zu seiner Ermordung durch die Nationalsozialisten 1934 dokumentiert. Ebenso wird sein historisches Wirken als anerkannter Agrarfachmann und Landwirtschaftsminister neutral beleuchtet.” Einer Kollegin, der ich den Text gezeigt habe, hat es ”die Sprache verschlagen”. Der niederösterreichische Landtagspräsident Hans Penz, seines Zeichens auch Bauernbunddirektor, setzt in der würdevollen Aussendung noch eins drauf: ”Das Dollfuß-Museum ist zu einer Stätte der Begegnung, des Dialogs und der Lehre geworden”, betont NÖ Landtagspräsident und Bauernbunddirektor Hans Penz. Das Museum mache Geschichte erlebbar und sei “ein Symbol dafür, dass Probleme der Gegenwart und der Zukunft nur im Sinne des Miteinanders und der Toleranz lösbar sind”.

Von Dollfuß Miteinander und Toleranz lernen? Nach dem Motto: ”Willst du nicht mein Bruder sein, schlag ich dir den Schädel ein”, scheint das ein zukunftsweisendes Konzept zu sein. Passt eigentlich zur von der ÖVP propagierten ”Familie Niederösterreich” und ihren Konfliktlösungsmethoden. Irgendwie muss ich in diesem Zusammenhang immer an den Fall Josef F. denken, auch wenn das jetzt eher ein Nebenaspekt ist.

Es ist eine Eigentümlichkeit vor allem der niederösterreichischen Schwarzen, ihr Vorbild in Engelbert Dollfuß zu sehen. Vor wenigen Monaten etwa hat der Dritte Nationalratspräsident Michael Spindelegger in einem Gastkommentar im ”Falter” eine Dollfuß-Apologie in einer Dreistigkeit geschrieben, die sich der dieses Herrn Penz als würdig erweist. Dollfuß sei ja gar kein Faschist gewesen, fand Spindelegger damals und machte im selben Atemzug Karl Renner zum Krypto-Nazi. Ein paar kleine Fehler habe schließlich jeder, schrieb  der niederösterreichische Spitzenpolitiker sinngemäß. Der Sturm der Entrüstung blieb weitgehend aus. Verharmlosung des Austrofaschismus gilt hierzulande als salonfähig. Das ist nicht auf die niederösterreichische ÖVP beschränkt: Man denke an die Worte des ehemaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol, wonach Dollfuß ein Patriot gewesen sei, aber zu wenig Demokrat. Letzteres sogleich mit den Worten entschuldigend, damals sei eben nicht die Zeit der Demokratie gewesen. Also im Grunde genommen eh ein leiwander Kerl, der Dollfuß, der den österreichischen Nationalrat illegal auflöste, Parlamentarier verhaften ließ, aus ideologischen Gründen einen Bürgerkrieg vom Zaun brach, die Todesstrafe wieder einführte und schwer verwundete Arbeiterführer hinrichten ließ. Und für die katholisch gesinnten Österreicher wird er zum Märtyrer hochstilisiert, gar zum ersten Opfer des Nationalsozialismus. Das macht ihn in den Augen der Kerzlschlicker unangreifbar. Ich frage mich, wann die ÖVP plant, einen Seligsprechungsprozess für den Faschisten Dollfuß einzuleiten. Das Dollfuß-Museum wird von der nö. Volkskultur mehr oder weniger offen als Wallfahrtsort beworben (die nächst gelegenen Ausflugsziele sind laut Homepage alle Kirchen oder Kapellen). Tausende pilgern jedes Jahr nach Texing, um die Totenmaske des verehrten Märtyrers zu sehen. Es wird sich sicher ein Eifriger finden, dessen Hühneraugen nach Gebeten an den ”deutschen” (Ständestaat-Propaganda) Kanzler geheilt wurden. Es ist kaum vorstellbar, dass die Kirche Einwände hätte. Sie hat den grenzdebilen Dilettanten Karl Habsburg selig gesprochen. Dass das Dollfuß-Porträt im ÖVP-Parlamentsklub links neben dem Kreuz hängt, kann als gutes Omen gewertet werden. Oder als Zeichen mangelnder Distanzierung. Die ÖVP weigert sich vehement, es abzuhängen.

Selbst wenn Penz oder Spindelegger Dollfuß nicht selig sprechen lassen wollen: Inwieweit sehen sie ihn als Vorbild für tagespolitisches Handeln? Ständig schwadronieren die Schwarzen in Niederösterreich von ”Landesinteressen”, ”Schulterschlüssen” etc. , vorzugsweise wenn es darum geht, politisch Andersdenkende einschüchtern zu wollen. Und wenn die Roten einmal nicht so brav sind, droht der Landeshauptmann selbst, ihnen Kompetenzen zu entziehen. Wennst net lieb bist, darfst halt nix mehr machen. Eine sehr demokratische Einstellung. Da wirkt die Bauernbund-Presseaussendung nicht wie eine unerträglich schlampige Entgleisung sondern fast wie eine gefährliche Drohung.



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